Obsoleszenz von Displays: Eine Analyse der Ist-Situation und Ansätze, die Langzeitverfügbarkeit zu verbessern.
„Regress“, sagt der Kunde, „wieso“ fragt der Hersteller. Die einen erwarten, dass Ersatzteile schnell Verfügbar sind, unter beinahe allen Umständen durch irgendeine Garantie abgedeckt sind oder aber mindestens weniger als das Originalteil kosten. Die anderen können Lagerkosten und -platz für die meisten Komponenten nicht für immer bereitstellen und wollen neuere Modelle und Produkte vertreiben. Gerechtfertigt sind bei-de Forderungen. Selbstverständlich haben Kunden auch in einer schnelllebigen Gesellschaft einen Anspruch auf Ersatz. Doch muss man Herstellern zu Gute halten, dass auch sie von zahlreichen Faktoren abhängig machen müssen, wie lange dieser Ersatz verfügbar sein kann. Eine Langzeitverfügbarkeit von Komponenten ist daher nur über den Mittelweg im Zusammenwirken von Hersteller, Distributoren, Systemintegratoren sowie Nutzer möglich.
Alle für einen und einer für alle
Eine Langzeitverfügbarkeit von Komponenten ist nur über den Mittelweg im Zusammenwirken von Hersteller, Distributoren, Systemintegratoren sowie Nutzer möglich.
Aber: In der Realität versucht jeder Einzelne entlang der Wertschöpfungskette, nur seinen eigenen Nutzen zu erzielen. Wenn es dagegen gelingt, mit gleichen Definitionen und gleichem Verständnis die gemeinsame Herausforderung Langzeitverfügbarkeit anzupacken, sind signifikante Fortschritte tatsächlich erreichbar. Jeder Beteiligte müsste dazu den Begriff der Langzeitverfügbarkeit gemeinsam gültig definieren. Ohne genau zu wissen, welche Ansprüche zu erfüllen sind, können allgemeine Angaben über Langzeitverfügbarkeit ohnehin nicht gegeben werden. Auch sollte zunächst geklärt werden, ob eine Komponente identisch sein muss oder „nur“ die prinzipielle Funktionalität gewährleistet wird.
Was heißt aber identisch? Für welche Produktqualität wird ein Ersatzteil gefordert? Ist die komplette Funktionalität des Displays wie beispielsweise bei der Flugzeugsteuerung für eine kritische und aufwendige Zulassung erforderlich? Identisch bedeutet demnach nicht nur, dass die Komponente gleich aussieht. Es bedeutet viel mehr, dass sie die gleiche Produktnummer beziehungsweise die Kombination aus gleichen Produktnummern hat und mittels gleicher Verfahren und Prozesse hergestellt wurde. Handelt es sich da-gegen um eine prinzipielle Eigenschaft, bei einem Display zum Beispiel Steckerkompatibilität, Helligkeit oder Auflösung, bedeutet Langzeitverfügbarkeit zunächst die lange Einsatzlebensdauer, Produktlieferverfügbarkeit oder beides zusammen. An dieser Stelle nennt der Hersteller das Prin-zip von Form-Fit-Funktion. Form bedeutet die gleiche Mechanik, Abmessung und Befestigung. Fit steht für gleiche Stecker, Ansteuerung der Schnittstellen. Funktion bezieht sich auf gleiche Auflösung, Temperaturverträg-lichkeit, Materialbeschaffung inklusive Robustheit, gleicher optischer Werte und vor allem gleiche Qualität.
Störfaktoren der Langzeitverfügbarkeit
Unabhängig von identisch oder Form-Fit-Funktion führt jedoch eine andere Betrachtungsebene zu einem neuen, immer größeren Problem für Hersteller: Mit irgendeiner Komponente in irgendeiner Form ist es nicht getan. Für die Funktionalität von Displays sind auch der übergeordnete Kontext respektive die Abhängigkeit von der Positionierung des Gerätes entscheidend: Displays von Geldautomaten, Einsatzfahrzeugen oder industriellen Großmaschinen in rauen Umgebungen, deren Funktionalität gewährleistet werden muss, haben eine hohe Wertigkeit. Diese ist direkt mit Langlebigkeit gleichzusetzen und Ersatzteile beziehungsweise Komponenten werden über eine prognostizierte Nutzungsdauer bevorratet. Die Verfügbarkeit von kurzlebigen Modeerscheinungen und Trend-Tools wird indes mit Sicherheit gerade noch für den Zeitraum der gesetzlichen Garantie bestehen. Theoretisch könnte Einkäufern zwar eine höhere technische Wertigkeit auch vorgemacht werden, aber oft genug sind die Strukturen und Prioritäten des Einkaufs jedoch ohnehin an anderen Zielvorgaben festgemacht. Kostendruck zwingt Einkäufer von Geschäftsjahr zu Geschäftsjahr immer billiger – selten günstiger – einzukaufen.
Auch die Langzeitverfügbarkeit von Displays mit hoher Wertigkeit ist nicht immer und ohne Weiteres gewährleistet. Auch sie ist äußeren Störfaktoren ausgesetzt. So besteht immer weniger Verständnis für die einzelnen Herstellungsstufen sowie erst recht für das Zusammenspiel im gesamten System. Entwicklungsabteilungen sind beispielsweise dazu angehalten, Spezifikationen für benötigte Komponenten klein zu halten. Dadurch werden Prüfungs- und damit Einkaufskosten gesenkt: Es ist für das Bestehen der Qualitätssicherung denkbar leichter, nur zehn statt 100 Parameter zu prüfen und zu erfüllen. Prinzipiell nimmt jedoch die Anzahl der einzelnen Komponenten beziehungsweise Prozesse zu, die eingekauft, verbaut und damit entsprechend vorrätig gehalten werden müssen. Das heißt, die Komplexität nicht nur von Displays steigt. Daher sollten auch die Spezifikationen sowie die Anzahl der zu überprüfenden Parameter eigentlich zunehmen. Damit wird die benötigte Langzeitqualität pro spezifisch eingesetztem Systembauteil eher geringer statt besser. Mit direkten Folgen für die (Langzeit-)Funktionalität und Langzeitverfügbarkeit.
Hersteller vs. Verbraucher
Am Ende der Kosteneinsparung scheint dann der Endverbraucher und Konsument benachteiligt zu werden. Sein Display ist aus Sicht von Einkauf und Entwicklung in der Regel weniger wertig, als beispielsweise das eines Krankenwagens. Ersatz kann geltend gemacht werden, wenn der Ausfall des Displays ein gesetzlicher oder vom Hersteller erweiterter Garantiefall ist. Einzelne Ersatzkomponenten werden dagegen erst gar nicht vorrätig gehalten. Infolge der Nachfrage und Designansprüche ist der Komplettaustausch für kurzlebige Displays die effektivere und stellenweise kostengünstigere Variante. Eben jene kurzlebigen Design- und Modeansprüche nehmen in den meisten Fällen aber gerade den Endverbraucher und Konsumenten aus derRechnung für Langzeitverfügbarkeit. Seine Vorstellung von Langzeitverfügbarkeit ist entsprechend kurzlebig und abhängig von neueren, moderneren Produkten.
Kommerziell ist das Obsoleszenz-Management viel mehr von anderen Einflüssen abhängig. Müssen Aufwand und damit Kosten betrieben werden, um Haftungsansprüche auszuschließen? Denn: Entscheidend für Hersteller sind die Diskrepanzen der Schuldfrage. Verursacht ein Displayschaden Kosten, spielt die beabsichtigte oder gar bestätigte Lebensdauer eine wichtige Rolle: Wer ist verantwortlich? Der Systemintegrator, der Materialhersteller, der Einkäufer oder doch der Verbraucher? Wenn zudem Lieferanten von Ersatzkomponenten oder Reparaturdienstleister ins Obligo genommen werden, hängt die Langzeitverfügbarkeit auch von deren Bereitschaft ab. Einfach so per Gesetz lässt sich das jedoch auch nicht regeln.
Nichts ist unmöglich
Mit dem Ziel Kosten zu minimieren und Erträge zu stärken, wurden in den letzten Jahren nicht nur bei den Großen der Branche die Profit-Center gefördert und Cost-Center deinvestiert. Da-mit ist viel Know-how verloren gegangen. Um den Verlust auszugleichen, werden fehlende Erfahrungen beziehungsweise benötigtes Know-how heute fallweise eingekauft. Um eine Langzeitverfügbarkeit überhaupt gewährleisten zu können, sollten daher die Wertigkeit von und das Verständnis für Displays angepasst sein. Eine lange, fehlerfreie Funktion und Verfügbarkeit von Displays kann und wird nur unter veränderten Wertigkeiten bezahlt werden. Natürlich bleibt der Kostenpunkt für die Wertigkeit der relevanteste Faktor. Jedoch darf er nicht mehr maßgeblich aus kurzfristigen Gesichtspunkten bewertet werden. Damit müssen wohl oder übel alle Beteiligen in der gesamten Prozesskette eingebunden werden und letzten Endes auch verstehen können, was und warum mit dem betreffenden Bauteil beziehungsweise Display umgesetzt und realisiert werden soll.
Die Langzeitverfügbar kann zudem bereits vor dem Einsatz des Displays abgeschätzt werden, indem Materialien, Prozesse, Lieferkette sowie die kompletten und aktuellen Spezifikationen bekannt sind. Auch sollte eben diese Spezifikation verstanden und das genaue Anwendungsprofil für den Einsatz des Displays verifiziert werden. Gleichzeitig sollten die bisherigen Erfahrungen mit dem Hersteller, Lieferanten und vergleichbaren Technologien berücksichtigt werden. Um die Langzeitverfügbarkeit für Displays umsetzbar zu machen, muss daher ein systemisches Denken wieder elementar werden. Meist ermöglicht dieses „tiefere Einsteigen“ sogar – für das betroffene Gesamtsystem betrachtet – deutliche Kostenreduzierungen.